Reflux-Chirurgie
Reflux-Chirurgie von Morgen an der Wiener Privatklinik - Ein Interview mit Prof. Dr. Schoppmann von der Medizinischen Universität Wien
Können Sie uns einen Einblick geben, wie sich die Reflux-Chirurgie in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Fortschritte Sie mit Ihrer Forschung gemacht haben?
Prof. Dr. Schoppmann: Da gibt es mehrere erwähnenswerte Punkte. Ganz wesentlich ist die hochgradige Spezialisierung in diesem Bereich. Es haben sich Reflux-Zentren gebildet, die nicht nur spezialisiert sind, sondern auch interdisziplinär arbeiten. Diese Zentren vereinen Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen – Gastroenterologen, Radiologen, Chirurgen, Ernährungswissenschaftler und Physiologen –, die zusammenarbeiten, um den bestmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen. RefluxChirurgie erfordert ein hohes Maß an Teamarbeit.
Welche technischen Entwicklungen haben in letzter Zeit eine Rolle gespielt?
Prof. Dr. Schoppmann: Es gab bedeutende technische Innovationen. Die Reflux-Chirurgie ist heute nahezu ausschließlich minimalinvasiv. Neue Medizinprodukte haben die Operationen nicht nur vereinfacht und standardisiert, sondern auch die Nebenwirkungen reduziert. Eine weitere Entwicklung betrifft die Patientenselektion. Wissenschaftliche Fortschritte haben uns geholfen, die pathophysiologischen Mechanismen der Reflux-Erkrankung besser zu verstehen und zu messen, wodurch wir präzisere Diagnosen stellen können.
Wie sieht die Patientenstruktur dabei aus? Wie viele Menschen sind von Reflux betroffen?
Prof. Dr. Schoppmann: Man geht davon aus, dass etwa 15-20 % der westlichen Bevölkerung an pathologischem Reflux leiden. Reflux ist eine der wichtigsten Lifestyle-ErkranFORSCHUNGS-INSIGHTS: Foto: Katarina Lindbichler JOURNAL für Private Medizin 1/2024 21 kungen, bedingt durch Faktoren wie Übergewicht, erhöhten Zucker- und Kohlenhydratkonsum sowie genetische Einflüsse. Einige Familien haben beispielsweise ein geringeres Collagen-Expressionsmuster, was die Wahrscheinlichkeit einer Reflux-Erkrankung erhöht.
Sehen Sie in der robotergestützten Chirurgie eine Entwicklungsmöglichkeit für die Zukunft?
Prof. Dr. Schoppmann: Ja, die Zukunft der Reflux-Chirurgie ist sicherlich robotisch unterstützt. Wir nutzen Robotik bereits und werden dies zukünftig noch häufiger tun, besonders bei länger andauernden Eingriffen. Daten zeigen, dass die robotergestützte Chirurgie, insbesondere bei größeren Hiatus- und paraösophagealen Hernien, Vorteile bietet.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der aktuellen Reflux-Chirurgie und wie kann Ihre Forschung dazu beitragen, diese zu überwinden?
Prof. Dr. Schoppmann: In den letzten Jahren haben wir uns darauf konzentriert, die strukturellen Veränderungen bei Patienten, die zu einer behandlungswürdigen RefluxErkrankung führen, klar zu definieren. Wichtige Ursachen sind die Hiatushernie und Probleme des unteren Ösophagussphinkters. Zudem vergleichen wir neue Techniken wie Magnetring-, Silikonball- und elektrischer Stimulator-Implantationen mit herkömmlichen Operationen, um die bestmögliche Behandlungsmethode zu finden.
Welche Indikatoren sind wichtig, damit ein Patient in Ihrem Forschungsbereich berücksichtigt wird?
Prof. Dr. Schoppmann: Eine genaue Symptomanamnese und die Objektivierung der Reflux-Erkrankung sind entscheidend. Methoden wie Schluckvideokinematographien, hochauflösende Manometrie, Planimetrie und Impedanz-pH-Metrie helfen uns, die Diagnose präzise zu stellen. Neben chirurgischen Behandlungen spielen auch ätiologische Maßnahmen und Lifestyle-Adaptionen eine wichtige Rolle. Zudem sind Protonenpumpen-Inhibitoren in vielen Fällen sehr effektiv, obwohl sie im Langzeitgebrauch kritisch betrachtet werden.
Welche Rolle spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Ihrem Forschungsteam?
Prof. Dr. Schoppmann: Die Zusammenarbeit mit gastroenterologischen Kollegen, HNO-Ärzten, Zahnärzten und Radiologen ist essenziell. Diese interdisziplinäre Kooperation ermöglicht es uns, die primäre Indikationsstellung zu optimieren und Studien sowie Forschung auf hohem Niveau durchzuführen.
Wie könnten Ihre Forschungsergebnisse die klinische Praxis beeinflussen?
Prof. Dr. Schoppmann: Objektivierungsmaßnahmen wie Planimetrie und hochauflösende Manometrie sowie intraoperative Messungen verbessern unser Verständnis der Reflux-Erkrankung und deren Behandlung. Diese objektiven Parameter erlauben es uns, verschiedene Methoden zu vergleichen und die besten Behandlungsansätze zu wählen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass jüngere Patienten mit kürzerer Anamnese von einer operativen Behandlung profitieren und häufig eine medikamentöse Langzeittherapie ablehnen.
Abschließend, welche Hoffnungen und Ziele haben Sie für die Zukunft Ihrer Arbeit auf diesem Gebiet?
Prof. Dr. Schoppmann: Unser Ziel ist eine weitere Spezialisierung, Zentralisierung und Personalisierung der Reflux-Behandlung sowie die Entwicklung klarer Selektionskriterien für operative Eingriffe. Österreich ist international gut aufgestellt. Die Gründung der European Foregut Society (EFS) vor fünf Jahren hat unser Zentrum international bekannt gemacht und ermöglicht uns, Forschung und Studien auf höchstem Niveau durchzuführen.
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